Kaum ist die Ernte vom Feld, steht der Stoppelsturz an – häufig hat sich dafür ein Standard auf den Betrieben etabliert. Doch wer einfach die Scheibenegge anhängt, um den Acker damit schwarz zu machen, denkt zu kurz. Die Ernterückstände brauchen mindestens die gleiche Aufmerksamkeit wie die Ernte selbst. Um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, sind Stroh, Stoppel, Wurzeln und Co. wichtige Komponenten. Die Ernterückstände
- sind die wichtigste Kohlenstoffquelle für den Erhalt und Aufbau von Humus,
- liefern Nährstoffe,
- mindern die Bodenerosion (bessere Wasserinfiltration, stabile Ton-Humus-Komplexe, Mulchdecke),
- regulieren den Bodenwasserhaushalt durch eine bessere Drainung (Regenwurmröhren) und verlängern die Wasserversorgung bei Trockenheit und
- stabilisieren das Bodengefüge.
Bodenfruchtbarkeit erhalten
Fehlen Ernterückstände, sind die Folgen gravierend: Flächen, auf denen zwanzig Jahre lang GPS-Kulturen stehen und von denen das Stroh ohne angemessenen Ausgleich abgefahren wird, verlieren 20 bis 30% ihrer Ertragsfähigkeit. Strukturschäden, die sich dadurch unweigerlich einstellen, lassen die Erträge bei Frühjahrstrockenheit oder Nässe im Winter noch stärker abfallen. Nutzen Sie Ernterückstände wie Stroh, Stoppeln und Wurzeln gezielt, damit der Boden fruchtbar bleibt.
Schlechtes Ernterückstandsmanagement hat aber auch zeitnahe phytosanitäre Konsequenzen: Laufen verstärkt Ausfallsamen der Kulturen auf, sind diese nach der Ernte und in den Folgejahren Wirtspflanzen für Krankheiten, Virosen und Schädlinge. Zudem kann der Fremdaufwuchs eine Folgekultur auch ganz unterdrücken, wie z.B. Getreidestreifen im Raps.
Noch stehen selektive Herbizide und Glyphosat zur Verfügung. Doch zumindest das Ende von Glyphosat ist absehbar. Danach gilt es, die chemische Kontrolle von Altverunkrautung nach der Ernte und von nicht abgefrorenen oder verunkrauteten Zwischenfruchtbeständen durch ein angepasstes Ernterückstandsmanagement zu ersetzen.
Regenwürmer nutzen Stroh
Ziel ist, dass der Boden bzw. die Bodenbewohner die Rückstände nach der Ernte schnell umsetzen. Dafür ist das C:N-Verhältnis maßgeblich.
Die langlebigen, lignifizierten Ernterückstände sind ein gutes Regenwurmfutter. Die Würmer tragen wesentlich dazu bei, die Rückstände zu zersetzen. Tiefgräber wie der Tauwurm (Lumbricus terrestris) ziehen mundgerechte Stücke senkrecht in ihre Röhren, die weit über 1 m in den Untergrund reichen können. Sie durchdringen auch Lehmschichten und Fahrspuren, in die man selbst mit einem guten Spaten nicht hineinkommt.
Ihre Röhren kleiden die Würmer mit ihrem nährstoffreichen und phytohormonhaltigen Kot aus. Darin können Wurzeln zügig in die Tiefe dem Wasser hinterherwachsen. Zudem kann Überschusswasser in den Röhren drainieren. Die Arbeit der tiefgrabenden Regenwürmer ist an zwei Bedingungen geknüpft: Sie holen sich aufliegende Ernterückstände nur, wenn
- der Boden fest ist und
- die Stroh- und Stoppelstücke Bleistiftdicke haben oder flach genug sind, damit der Mundmuskel diese erfassen kann (z.B. tote Blätter, längsgespleißte Maisstängelstücke).
Selbst Unkraut- und Kultursamen bis zur Größe eines Senfkornes nehmen die Würmer auf. Je nach Gräserart sterben 30 bis 100 % der Samen ab. Weitere Fakten und Fotos zu Regenwürmern finden Sie im Beitrag „Würmer wollen wühlen“ in der top agrar 8/2019.
Machen Sie sich die Regenwurmtätigkeit zunutze! Liegen direkt nach der Ernte gut verteilte (Striegel) und evtl. zusätzlich zerkleinerte (gemulchte) Stoppeln auf festem Boden, werden die Würmer tätig. Ist der Boden hingegen erst einmal bearbeitet, dauert es nach der Saat wenigstens acht Wochen, bis sich der Boden soweit gesetzt hat und die Wurzeln eine Struktur geschaffen haben, durch die die Tiefgräber wieder an die Oberfläche kommen.
Steht nicht genug Zeit für die Arbeit der Regenwürmer zur Verfügung oder sind sie – wie auf trockenen, sandigen Standorten oder Schwarzerden – gar nicht erst vorhanden, muss die maschinelle Arbeit die Zerkleinerung, Verteilung und Einarbeitung der Ernterückstände noch präziser erledigen.
Bakterien: Feinarbeit im Boden
Bereits eingearbeitetes Stroh verarbeiten die Tiefgräber nicht. Um die im Boden liegenden Erntereste kümmern sich stattdessen Bakterien. Die Geschwindigkeit der Zersetzung hängt dabei von der bakteriellen Vermehrung ab, die an der Kontaktfläche zwischen Boden und Stroh stattfindet: Je größer die Oberfläche der Rückstände, desto schneller und stickstoffneutraler greift die wachsende Bakterienpopulation diese an.
Voraussetzung für die bakterielle Umsetzung sind demnach ein guter Bodenkontakt durch eine Zerkleinerung (Oberflächenvergrößerung), gleichmäßige Verteilung und Einarbeitung. Für einen guten Stroh-Boden-Kontakt ist die 1:2-Regel ein Anhaltspunkt: Je 1 t Stroh sind 2 cm Einarbeitungstiefe notwendig, unter trockenen Bedingungen bis 3 cm. Wer nach einer guten Getreideernte 8 t Stroh vollständig einmischen will, muss demnach wenigstens 16 cm tief arbeiten.
Zwischenfazit: Die Ernterückstände müssen klein genug sein, um sie gut mischen und verteilen zu können. Eine Matten- und Haufenbildung gilt es unbedingt zu vermeiden, um Wurzelbarrieren und eine Mäusevermehrung zu verhindern.
Gut geplant ist halb gestoppelt
Wie kann die Praxis nun diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in acker- und maschinentaugliches Handeln umsetzen? Zunächst gilt es zu klären, wie effektiv und zielgerichtet die Bodenbearbeitung in der Vergangenheit war bzw. ob Arbeitsabläufe oder die Bewirtschaftung korrigiert und verändert werden müssen. Jeder, der Verantwortung trägt, sollte sich folgende Fragen stellen:
- Wo haben sich in den letzten Jahren Flächen oder Teilflächen in ihrem Zustand und ihrer Ertragsfähigkeit positiv oder negativ entwickelt?
- Welchen Anteil an den Veränderungen hat die bisherige Bewirtschaftung und die Arbeitsweise?
- Wie kann man Veränderungen in der Teilfläche erkennen?
Die wichtigen Werkzeuge zur Beantwortung dieser Fragen sind aussagekräftige auswertbare betriebliche Aufzeichnungen, georeferenzierte Fotos, Luftbilder, Ertragskarten und die Entwicklung der Bodenuntersuchungsergebnisse. Nur wenn die betrieblichen Aufzeichnungen mit vertretbarem Aufwand...
August 06, 2020 at 01:03PM
https://ift.tt/2EORbai
So nutzen Sie Stroh und Co. effektiv - top agrar online
https://ift.tt/31BsHeg
Stroh
No comments:
Post a Comment